Nach zehnjähriger ,,anonymer" Existenz erhielt das Nienburger Naturfreundehaus im Jahre 1963 den Namen ,,Luise-Wyneken-Heim". Es war eine posthume Ehrung, denn die Namensgeberin verstarb bereits 1946. Doch viele, die mitwirkten an der Entstehung dieser Stätte, hatten Luise gekannt und verehrt. Es waren ihre Ideale, denen man sich verpflichtet fühlte.
Das Schockerlebnis Erster Weltkrieg und das Elend der Zivilbevölkerung hatten die Pastorentochter aus Göttingen zu einer überzeugten Pazifistin, zu einer sozialistisch denkenden Frau gemacht, die sich politisch engagieren wollte. Luise Wyneken war Lehrerin an der Nienburger Haushaltungs- und Gewerbeschule seit 1908, ab 1931 deren Leiterin. Sie stritt für das Frauenwahlrecht und wurde 1919 als erste Frau in den Rat der Stadt Nienburg gewählt. Hier trat sie vor allem für sozial- und jugendpoltische Belange ein und half als Sozialdemokratin und Bürgervorsteherin in den Nachkriegsjahren des Ersten Weltkrieges durch ihr soziales Engagement manche Not zu lindern. In leidenschaftlichen Reden trat sie für den Frieden und die Völkerverständigung ein.
1923 führte die Abenteuerlust sie für zwei Jahre nach Amerika. Dort verdingte sich die Haushaltungs- und Gewerbelehrerin als Köchin und durchquerte die Vereinigten Staaten – als Anhalterin.
Neben ihrem Engagement in Nienburg für die Rechte der Frauen gehörte ihr Herz vor allem der Jugend. Da waren es vor allem die Arbeiterkinder, denen sie sich zuwandte: „Die brauchen mich am meisten.“ Eine Zeitzeugin: ,,Bei Luise hatten wir das damals seltene Gefühl, voll anerkannt zu sein.“
Als Leiterin der Arbeiterjugend ging sie mit ihrer Gruppe häufig „auf Fahrt“. Keine Frage: Die gute Kennerin der Pflanzen- und Tierwelt weckte in vielen der ihr Anvertrauten das Interesse für Natur und Umwelt (obgleich man letzteren Begriff damals noch gar nicht kannte).
In Luises Wohnung in der Friedrichstraße versammelte sie häufig 20 bis 25 Jugendliche um sich, um ihnen das Rüstzeug zu geben, in einer Zeit des sozialen und gesellschaftlichen Umbruchs zu bestehen.
Ihre antifaschistische Haltung bewies sie am 8. März 1933 mit der Weigerung, die schwarz-rot-goldene Fahne der Weimarer Republik an SA-Leute herauszugeben, die stattdessen die Hakenkreuzfahne an der Haushaltungsschule hissen wollten.
Beschuldigt, „Marxistin“ zu sein, gehörte Luise Wyneken zu den ersten Pädagogen der damaligen Provinz Hannover, die auf Grund des § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus dem Staatsdienst entlassen wurde. Sie zog nach Göttingen, wo sie sich der Pflege ihrer 80jährigen Mutter widmete.
Luise Wyneken wurde nicht zur Heldin. Am 23.Januar 1938 schreibt sie: “Besser treu im Rahmen dieses Staates mitarbeiten, als meckern und im politischen Schmollwinkel sitzen. Wenn ich nicht für meine Mutter dasein müßte, würde ich vermutlich der Volkswohlfahrt mich zur Verfügung stellen.” 1939 vollzieht sie diesen Schritt. Am 22. Oktober 1946 starb Luise Wyneken in Göttingen. Beigesetzt wurde sie in ihrem geliebten Nienburg.
Trotz Fortzuges nach Göttingen riß die Verbindung zu ihren Nienburger Freunden nie ab. Ihrem Wunsch entsprechend wurde sie nach ihrem Tod am 22 .Oktober 1946 auf dem Nienburger Friedhof an der Fichtestraße beigesetzt. Auf ihrem Grabstein können wir gemäß ihrem Willen außer den Lebensdaten die Worte lesen:
,,Wahrhaftigkeit Gerechtigkeit Güte / Heiterkeit“.